Sicheres Marburg - Polizeiliche Maßnahmen greifen
14-Jähriger in Untersuchungshaft: Pressemeldung vom 10.03.2023
Aufgrund der Ermittlungen der Kripo Marburg erließ das Amtsgericht Marburg am Freitag, 03. März, gegen einen 14Jährigen den von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts der besonders schweren räuberischen Erpressung, des schweren Raubes, des versuchten Raubes sowie der gefährlichen Körperverletzung und des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr. Der Jugendliche wurde am 04. März dem zuständigen Haftrichter des Amtsgerichts Marburg vorgeführt. Er befindet sich nun in Untersuchungshaft.
Die intensivierten, präventiven und konsequenten strafverfolgenden Maßnahmen der Polizei greifen.
Bereits seit Juni 2018 gibt es das Konzept Sicheres Marburg. Die Vereinbarung zwischen der Stadt und der Polizei wurde damals noch von Bürgermeister Wieland Stötzel und Polizeipräsident Bernd Paul unterzeichnet. Ziel dieser Vereinbarung war und ist es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erhöhen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in der Marburger Innenstadt zu verbessern. Die Umsetzung eines ganzen Katalogs von Maßnahmen unter anderem mit deutlich mehr sichtbarer Präsenz von städtischer Ordnungspolizei und Polizei, mit Aufenthaltsverboten für Mehrfachtäter, verstärkter Präventionsarbeit und auch Jugendschutzkontrollen aber auch mehr Sauberkeit und Beleuchtung an potentiellen Angsträumen sowie die Einbindung der Anlieger wie Kino und Studentenwerk zeigte bald Wirkung und führte zu einem Rückgang von Straftaten in der Öffentlichkeit.
Im Mai 2019 schloss sich die Stadt Marburg der Hessischen Sicherheitsinitiative KOMPASS an. KOMPASS ist ein Angebot des Hessischen Innenministeriums an die Städte und Gemeinden in Hessen und zielt auf eine nachhaltig ausgerichtete Verzahnung und noch engere Zusammenarbeit zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Polizei und Kommune. Die Polizei Hessen bietet an, gemeinsam mit den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern, die spezifischen kommunalen Sicherheitsbedürfnisse, also auch die Sorgen und Ängste der Bevölkerung zu erheben, zu analysieren und gemeinsam ein passgenaues Lösungsangebot zu entwickeln.
Mittlerweile vereinte das Land Hessen alle Sicherheitsprogramme des Landes Hessen unter dem Dach von "Gemeinsam sicher in Hessen" in einem Sicherheitsportal. Unter www.sicherheitsportal.hessen.de finden die Bürgerinnen und Bürger eine Meldestelle für HessenGegenHetze, können online eine Anzeige erstatten, Mängel in ihrer Stadt melden und sich über die Sicherheitsinitiativen informieren.
Nach einem Anstieg von Gewalttaten insbesondere in der Innenstadt und rund um das Marktdreieck seit Sommer 2022 intensivierten die Polizei und die Stadt Marburg erneut die Maßnahmen für ein Sicheres Marburg. Bei Sonderkontrollen unterstützte vermehrt die Bereitschaftspolizei. Die Polizei und die Stadt liefen zwischen Juni und Dezember zusätzliche 160 Fußstreifen an den relevanten Orten in Marburg rund um das sogenannte Marktdreieck bis hin zum Hauptbahnhof. Dazu kommen verdeckte Fußstreifen und Observationen durch zivile Einsatzkräfte. So gelang es, im Jahr 2022 insgesamt 69 Personen als Beschuldigte zu identifizieren und Strukturen zu erkennen. Gegen elf Jugendliche bzw. Heranwachsende und zwei Erwachsene wurden Haftbefehle erlassen. Teilweise waren die ermittelten Beschuldigten erst 14 Jahre alt. Diese Maßnahmen bewirkten einen Rückgang der Straftaten in der Innenstadt und eine Anpassung der polizeilichen Maßnahmen.
Die relevanten Örtlichkeiten und Beschuldigten wurden weiterhin durch die Polizei beobachtet und ständig einer Lagebewertung unterzogen. Dies führte zu schnellen Reaktionen, als die Gewaltstraftaten im Februar dieses Jahres erneut anstiegen. Hier traten insbesondere junge Menschen, Kinder und Jugendliche, auf, die sich scheinbar gleichaltrige oder nur unwesentlich ältere Personen als Opfer auswählten und dabei teilweise enthemmt, rücksichtslos und skrupellos vorgingen. Die Polizei identifizierte in diesem Zusammenhang bislang (Stand: 06. März) sechs weibliche und 42 männliche Personen im Alter zwischen 13 und 21 Jahren als mutmaßliche Täter. Neben dem jetzt ergangenen Haftbefehl gegen den 14Jährigen wurden seit Mitte Februar drei weitere Haftbefehle gegen Jugendliche bzw. Heranwachsende erlassen. Ergänzend dazu kam es auch zu Maßnahmen gegen noch 13 Jahre alte und daher nach dem Strafgesetzbuch nicht strafmündige Kinder. Auf Initiative der jeweils zuständigen Jugendämter erfolgte nach dem BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch) eine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung mit dem Ziel der Erstellung eines Gutachtens hinsichtlich des Vorliegens einer psychischen Störung oder eines pädagogischen Problems. Also auch strafunmündige Kinder müssen mit Konsequenzen rechnen. Nahezu alle identifizierten Personen befinden sich auf die eine oder andere Weise in der Befassung bei den Jugendämtern, Staatsanwaltschaft, Gericht oder Polizei, die in einem ständigen Kontakt und Austausch miteinander stehen.
"Die Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf behält die Entwicklung von Straftaten in Marburg ständig im Blick und geht konsequent bei der Strafverfolgung vor. Die Polizei hofft dabei weiterhin auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, die entsprechende Vorfälle anzeigen und die sich insbesondere als Zeugen zur Verfügung stellen", sagt Frank Göbel, Leiter der Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf "Beim Konzept "Sicheres Marburg" ist mir besonders wichtig, dass wir wie bisher eng und konstruktiv mit der Stadt Marburg zusammenarbeiten, um gemeinsam zusätzliche präventive Maßnahmen und Einrichtungen erfolgreich umsetzen zu können", betont Frank Göbel.
Runder Tisch spricht regelmäßig über Sicherheitslage in Marburg: Pressemeldung vom 22.03.2023
Hohe Präsenz, schnelles Handeln, enge Zusammenarbeit und mehr Personal - bald mit tierischer Verstärkung: Stadt und Polizei arbeiten eng zusammen für ein sicheres Marburg. Mit Erfolg, wie schnelle Verhaftungen von jugendlichen Gewalttätern nach einer Reihe von Vorfällen gerade erst wieder zeigen. Was weiterhin für mehr Sicherheit und Prävention in Marburg getan wird, berichten Verwaltung und Polizei am "Runden Tisch Sicherheit" regelmäßig den politischen Gremien.
"Es gibt einen Anstieg von Bedrohungen und Sachbeschädigungen und insbesondere einen Anstieg von Straftaten durch Kinder und Jugendliche. Es ist schockierend, was den Opfern angetan wurde - und es ist beunruhigend, dass die Täter*innen so jung sind", sagt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies anlässlich der Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 für Mittelhessen. Mehr minderjährige Täter und Täterinnen - das ist laut Kriminalstatistik ein Phänomen, dass sich nicht nur in Marburg-Biedenkopf zeigt. Daher stelle sich die Frage, ob es Auswirkungen von Corona seien, wie sie derzeit häufig diskutiert werden. "In jedem Fall ist es eine zentrale Herausforderung für Sicherheitsbehörden, Politik und Pädagogik, die hier gemeinsam konsequent aber mit Fingerspitzengefühl handeln müssen."
Der Anstieg der Straftaten in Marburg ist mit 142 Taten im mittelhessischen Vergleich moderat. Trotzdem hat die Universitätsstadt jüngst Schlagzeilen gemacht - durch Überfälle und Gewalttaten, begangen von Jugendlichen aus Stadt und Landkreis, verübt in der Marburger Innenstadt. Das bestätigt auch die neue Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2022, die der Leitende Kriminaldirektor Frank Göbel, Leiter der Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf, beim Runden Tisch vorstellte: Für den Landkreis Marburg-Biedenkopf weist die PKS für das Jahr 2022 einen Anstieg um 55 auf 10.315 Straftaten aus. 5094 davon wurden - unabhängig vom Wohnort der Täter und Täterinnen - in der Kernstadt Marburg begangen; das sind 142 Taten mehr als 2021. Rund 43 Prozent der gesamten Straftaten in Marburgs Innenstadt sind Diebstahlsdelikte.
Bei der genaueren Betrachtung ergibt sich für die Taten in der Kernstadt Marburg bei der Straßenkriminalität (unter anderem sexuelle Belästigung, Handtaschenraub, Raub, gefährliche Körperverletzung) ein Anstieg um 233 auf 1082. Allein bei den Rohheitsdelikten (wie z.B. Körperverletzung), erhöhte sich die Anzahl der Taten um 164 auf 869. Die Gewaltkriminalität - unter anderem versuchter Mord oder Totschlag, Vergewaltigung, Raub, sowie gefährliche und schwere Körperverletzung - stieg um 88 auf jetzt 291 Delikte. Ein großer Teil der Körperverletzungen wie z. B. häusliche Gewalt passiert auch nicht im öffentlichen Raum. Die Polizei und die Stadt Marburg haben 2022 ihre Maßnahmen im Rahmen des seit Juni 2018 existenten und immer wieder angepassten Konzeptes "Sicheres Marburg" wirkungsvoll intensiviert. Nach einer erneuten Zunahme von Vorfällen auf dem Gebiet der Stadt seit Anfang 2023 wurden diese Maßnahmen durch die Einrichtung einer "Besonderen Aufbauorganisation" nochmals verstärkt und neu strukturiert.
Vor allem verstärkte Streifengänge und die hohe Präsenz von Stadtpolizei und Polizei in Marburg führten zu täterorientierten Ermittlungen gegen 29 Personen, die aufgrund mehrerer Straftaten in Erscheinung getreten sind. Mehrere davon befinden sich bereits in Untersuchungshaft. Darüber hinaus sind aktuell rund 40 Personen im polizeilichen Fokus, die nur vereinzelt straffällig geworden sind oder sich im Umfeld der Mehrfachtäter aufhielten.
Eine feste Täterstruktur ist gegenwärtig nicht erkennbar. Generell stieg aber die Anzahl der ermittelten tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen im vergangenen Jahr verglichen mit den vier Jahren zuvor deutlich an. (Kinder von 55 auf 91; Jugendliche von 213 auf 230). Als Schulstandort und Universitätsstadt zieht es junge Menschen verschiedenen Alters aus den umliegenden Gemeinden jeden Tag in großer Zahl nach Marburg. Hier treffen sie dann zusammen - und bewegten sich zum Beispiel vom Hauptbahnhof als Ankunftsorts dynamisch in der Stadt - nicht als fest verabredete Gruppen, sondern mal mehr, mal weniger lose zusammengewürfelt aus Marburg und dem Landkreis.
Stadt und Polizei überprüfen in enger Zusammenarbeit mit dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, der Staatsanwaltschaft Marburg, der Bundespolizei und der Deutschen Bahn permanent weitergehende Maßnahmen. Dazu gehören z.B. die Einrichtung einer Videoschutzanlage, Waffenverbotszone durch den Landkreis, Haus des Jugendrechts und Beteiligung am Sicherheitsportal des Landes Hessen.
Ebenfalls dazu gehören die gemeinsamen, verstärkten Kontrollen von Polizei und Stadtpolizei - die flexibel unter anderem auf die Tageszeiten reagieren, zu denen es häufig zu Vorfällen kam. Allein die Stadtpolizei setzt dabei ihre 13 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in drei Schichten ein. Die Stadt stockt ihr Personal um zwei zusätzliche Stellen auf - eine weitere Aufstockung wird angesichts der aktuellen Lage derzeit geprüft. Die Ordnungs- und Stadtpolizei wird außerdem durch zwei Diensthunde verstärkt. Die Hunde sind vor allem in Bezug auf ihre psychologische Wirkung ein wertvolles Einsatzmittel. Zur Verbesserung der Sicherheit und des Sicherheitsempfindens rund um den Bahnhof prüft die Stadt darüber hinaus die Einrichtung eines Videosystems auf dem Ortenbergsteg. Seit Ende 2018 gibt es zudem den "Hilfepunkt" von Polizei und Stadt am Cineplex - eine Anlaufstelle für Menschen in Notsituationen. Ein weiterer gemeinsamer Hilfepunkt soll am Bahnhof eingerichtet werden.
"Die Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf behält die Entwicklung von Straftaten in Marburg ständig im Blick und geht konsequent bei der Strafverfolgung vor. Die Polizei hofft dabei weiterhin auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, die entsprechende Vorfälle anzeigen und die sich insbesondere als Zeugen zur Verfügung stellen", appelliert der Leitende Kriminalkommissar, Frank Göbel. "Wir danken der Polizei für die engagierte Arbeit. Wichtig ist ein konsequentes und zeitnahes Vorgehen bei Straftaten. Vor allem bei den minderjährigen Täter*innen müssen wir uns zudem Gedanken um die Prävention machen", ergänzt Spies.
Das städtische Jugendamt arbeitet weiter eng mit Justiz, Polizei und Ordnungsamt zusammen, tauscht Informationen aus und stellt sich sowohl fallbezogen als auch strategisch auf. Ziel ist eine interdisziplinäre Abstimmung, um bei Straftaten schnell, gezielt und abgestimmt einzugreifen. Ergänzt wird das durch die Präventionsarbeit und die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe von Stadt und Freien Trägern mit ihren Jugendzentren, -clubs und -häusern, den pädagogischen Fachkräften in den Schulen oder auch den mobilen Jugendzentren - wie der AnsprechBAR oder dem Richtsbergmobil. Ein weiterer Jugendraum soll noch in diesem Jahr als zentraler Treffpunkt mit offenen Gesprächs- und Beratungsangeboten eröffnet werden.
Ahlich, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit